Ginny Loon
Nadja alias Ginny Loon, Musikerin
Dienstag, 3. September 2024
Wie bist du Musikerin geworden?
Ich denke, da waren meine Eltern ausschlaggebend. Zwar machen sie selbst keine Musik, aber in unserer Familie - ich habe noch zwei Brüder - war Kreativität immer wichtig und wurde von unseren Eltern stark gefördert. Dafür bin ich sehr dankbar. Als ich circa sieben Jahr alt war, durfte ich ein Instrument aussuchen und in die Musikstunden gehen. Ich wollte gerne Klavier lernen. So begann ich dann zwar nicht mit Klavier- aber Keyboard-Unterricht. Die Freude an der Musik war von Beginn weg da und hat nie aufgehört. Auch sang ich immer sehr gerne und so kamen bald Gesangsstunden dazu.
Was bedeutet Ginny Loon? Wie bist du zu deinem Künstlerinnen-NameN gekommen?
2014 nahm ich bei Voice of Switzerland teil - unter meinem Namen Nadja Färber. Nach der Teilnahme war es mir wichtig, dass ein neuer Abschnitte beginnen konnte. Mein Teilnahme-Video sollte nicht der erste Eindruck sein, sondern ich wollte meinen ersten Eindruck mit eigenen Songs gestalten. Beim Teilnahme-Video handelt es sich um ein Cover und ich wollte mich davon distanzieren und ausschliesslich eigene Songs schreiben und spielen. Deshalb suchte ich nach einem passenden Künstlerinnen-Namen. “Ginny” fand ich cool, als ich Harry Potter las. “Loon” kam dazu dank unserem Hund, der “Looney” hiess - wiederum eine Referenz für die Trickfilmserie “Looney Tunes”. “Loon” als Begriff bedeutet “verrückt”, “gestört” und ich fand das irgendwie passend.
Ich bin sehr froh, dass die Namensfindung für mich so früh passieren konnte und ich mich zu hundert Prozent mit den Namen identifiziere. Viele nennen mich Ginny und wissen gar nicht, dass mein bürgerlicher Name Nadja ist.
Wie sieht ein Tag im Leben von Ginny Loon aus?
Wohl passend zum Namen, sehr verrückt. Jeder Tag ist anders. Gerade gestern wollte ich für Instagram ein Reel zusammenstellen mit einem Rückblick über den August. Da habe ich bemerkt, wie viel in dem Monat passiert ist und ich total den Überblick darüber verloren habe. Viele streben nach dem “im Moment leben”. Bei mir fühlt es sich tatsächlich so an, als würde ich immer im Moment leben und gleich vergessen, was gerade noch gestern war. Es fühlt sich gut an, aber irgendwie auch seltsam. Ich habe kaum Zeit, Momente und Eindrücke zu verarbeiten oder zu geniessen, weil immer bereits das nächste ansteht. Dazu muss ich aber sagen, dass vor allem die Sommer Monate so sind. Bald wird es wieder ruhiger.
Was inspiriert dich?
Was mich am meisten inspiriert, sind wohl Songs von anderen Künstlerinnen. Zum Beispiel Taylor Swift, Maisie Peters und viele mehr. Manchmal passiert es auch, dass ich meine eigenen Songideen nach einer Weile zurück höre und mich das wieder zum Schreiben motiviert. Ich schreibe am liebsten übers Leben, zwischenmenschliche Beziehungen, das Wachsen und Älterwerden… Meistens von mir selbst, aber auch von Mitmenschen, die ich gerne von aussen beobachte…
Du hast dich vor wenigen Jahren entschieden, voll und ganz auf die Karte Musik zu setzen. Was hat dich dazu bewegt? Gab es ein spezielles Ereignis?
Es war ein Prozess. Es vergingen einige Jahre, in denen ich eigene Songs schreib, bis ich dann meinen ersten Song produzierte. An einer Open Mic Night habe ich meinen jetzigen Producer kennengelernt und das hat sich irgendwie einfach durch Zufall gut ergeben. Neben dem Produzieren eigener Songs häuften sich auch die Anfragen für Konzerte uns andere Auftritte. Sehr lange hatte ich neben der Musik eine 100%-Anstellung als Flight Attendant. Und irgendwann fühlte es sich frustrierend an, da ich Konzertanfragen nicht annehmen konnte, weil es sich nicht mit meiner Anstellung vereinbaren liess. Die Vorstellung, an einem Tag das machen zu können wofür ich brannte und die Tatsache, dass es mittlerweile auch realistisch war, damit genügend Geld für meinen Lebensunterhalt zu verdienen, brachten mich am 26. Februar zur Entscheidung voll und ganz auf die Musik zu setzen. Ich kündigte innerhalb von zwei Tagen, verliess meine WG und zog vorübergehend in mein Kinderzimmer zu meinen Eltern zurück und habe es bis heute nicht bereut.
Was ich spannend finde, ist die Tatsache, dass meiner Meinung nach, dieser Schritt zu wagen in der Schweiz mit weniger Risiko verbunden ist, als andernorts und es dennoch andernorts viel mehr Menschen gibt, die diesen Schritt wagen.
Haben Sich für dich Konzertbesuche verändert seit du selbst konzerte spielst?
Früher als ich Konzerte besuchte, kam oft ein Gefühl von Neid auf, weil ich selbst gerne auf dieser Bühne stehen wollte. Ich war super kreative, schrieb meine eigenen Songs und wusste, dass ich genauso auf einer Bühne stehen konnte, habe es aber nicht getan. So waren Konzertbesuche manchmal mit negativen, schwierigen Gefühlen verbunden. Heute fühle ich mich bei Konzertbesuchen total frei, da ich mich selbst auf der Bühne ausleben kann.
Inzwischen achte ich mich bei Konzertbesuchen natürlich auch mehr auf die Band, weil ich mittlerweile selbst mit Band spiele.
du hast an vielen verschiedenen orten Strassenmusik gemacht. was war ein schönes, spezielles Erlebnis?
Es gibt viele schöne Erinnerungen. Das Strassenmusik machen ist immer total intensiv. Ein Beispiel: Einmal hat mich ein Paar beim Vorübergehen und Zuhören spontan gefragt, ob ich an ihrer Hochzeit spielen würde. Und es kam dann tatsächlich zustande. Das sind besondere Momente. Auch gibt es viele Menschen, die heute regelmässig an meine Konzerte kommen, die mich ursprünglich als erstes einmal beim Strassenmusik machen erlebt haben. Ich habe meine Fan-Base sozusagen auf der Strasse aufgebaut.
Was landet beim Strassenmusik spielen in deiner Gitarrenkiste?
In meinem Instagram findest du ein ganzes Highlight dazu. Süssigkeiten; Banane; ein kleiner Junge wollte mir mal seinen Fingerring schenken; jemand hat mir mal sein Glace hingestreckt und ich musste dann erklären, dass ich gerade gerne noch etwas weiter spielen und singen möchte.
Landen da auch Liebesbriefe und Telefonnummern drin?
(lacht laut) Ja definitiv.
Vor einem Jahr hattest du einen AUftritt an den MFW - wie hat sich das angefühlt?
Generell bin ich nervöser vor meinem Heimpublikum zu spielen als andernorts, wo es sich anonymer anfühlt. Es ist aber auch immer ein sehr spezieller Moment und ein sehr schönes, erfüllendes Gefühl zu wissen, dass ganz viele Menschen bewusst für dich kommen, dich supporten und dich das spüren lassen.
Wirst du auf der Strasse in WInterthur erkannt? Gibt es da ein spezielles Erlebnis?
Mittlerweile kommt das ab und an vor. Wenn ich alleine unterwegs bin und dann von unbekannten Menschen auf meine Musik angesprochen werde, dann realisiere ich die Situation oft gar nicht und freue mich einfach nur mit den Leuten zu sprechen. Ich realisiere die Bedeutung davon meist nur, wenn zum Beispiel mein Freund oder mein Bruder dabei ist und dann augenzwinkernd einen Spruch zur Situation fallen lässt.
wenn du an einem abend nur einen einzigen song von dir performen dürftest, welcher wäre das und weshalb?
Das ist sehr publikumsabhängig. Hmm, aktuell würde ich “Strawberry Week” spielen. Ja, ich bin gerade in der “Strawberry Week”- Phase. Der Song widerspiegelt meinen Songwriting Stil sehr stark und repräsentiert das, wofür ich als Musikerin stehen möchte.
Was war dein schönstes Bühnenerlebnis?
Das Konzert an den Musikfestwochen. Es war damals eine sehr intensive Zeit, da ich eine Krebsdiagnose hatte und kurz nach den Musikfestwochen die Operation geplant war. Ich wollte schon immer an den Musikfestwochen spielen und es war der allerletzte Auftritt vor der Operation. Es war auch erst der zweite Auftritt mit Band. So viele für mich wichtige Menschen waren da und meine Mama hat eingefädelt, dass der Himmel voller Seifenblasen war für meinen Song “Bubbles”, den ich über die Winterthurer Musikfestwochen geschrieben habe. Das alles zusammen hat den Auftritt in der Steibi zu einem ganz speziellen gemacht.
Du hast NEBEN WINTERTHUR noch eine zweite Heimat - London. Was unterscheidet Für dich die Beiden Städte?
Die Anonymität in London. Ich mag das als Ausgleich. War ich lange in London, so schätze ich das unerwartete, spontane Aufeinandertreffen, das in Winterthur immer wieder passiert. Aber genau das kann mir auch zu viel werden. Neues ausprobieren und die Komfortzone verlassen ist irgendwie einfacher, wenn einen niemand kennt.
Was schätzt du an und in WInterthur?
Die Menschen dieser Stadt. Gerade bei der Strassenmusik spüre ich das starke Interesse an Musik und das schätze ich sehr.
Auch geniesse ich es, dass die Stadt überschaubar ist und mit dem Fahrrad alles gut erreicht werden kann. Zudem habe ich hier alle Menschen, die ich mag, auf einem Haufen und es sind für mich die Menschen, die einen Ort zu meinem Zuhause machen.
Was magst du an WInterthur weniger?
Winterthur präsentiert sich als Kulturstadt. Leider hindert aber der Verwaltungsapparat dieser Stadt vieles, das möglich wäre. Das Bewilligungssystem für Strassenmusik, das über ein Losverfahren super spontan, ohne jegliche Struktur am gewünschten Auftrittstag reguliert wird, müsste meiner Meinung nach überarbeitet werden.
Welches ist dein Lieblingsort in Winterthur?
D’Steibi, s’Roxy und zum Strassenmusik machen der Kirchplatz.
wo gehst du tanzen?
Vor allem an Konzerten.
Auf welcher Bühne würdest du gerne einmal ein konzert spielen?
In Winti mega gerne mal im Salzhaus. Das Hallenstadion wäre geil (lacht). Und generell Festivals - da gibt es ja ein paar sehr gute in der Schweiz.
Dein aktuell liebster Sound/Song/Band:
Megan Moroney. Ich mag Country.
Welcher Song ist in deiner Playlist und kennt bestimmt noch niemand?
Logan Brill - ihr gesamtes Album “Shuteye” ist super.
Wenn du dich nun selbst noch etwas fragen dürftest, welche Frage würdest du dir stellen und was wäre die Antwort?
Sehr oft werde ich danach gefragt, was meine nächsten Ziele, im Sinne von messbaren Zielen, sind. Ich finde es viel wichtiger zu fragen, was der Sinn in dem ist, was ich tue. Diese Frage stelle ich mir oft. Man tendiert dazu, irgendwelchen gesteckten Zielen nachzueifern, die Erfolg definieren und sich selbst zu stressen, weil man auf einer bestimmten Playlist noch nicht drauf ist. Für mich weiss ich: Ich bin glücklich, wenn ich so weitermachen darf, wie es aktuell ist, dass ich Shows spielen, Menschen erreichen und kennenlernen darf und dabei noch genügend Geld verdiene, um meinen Lebensunterhalt zu decken. Ich bin enorm dankbar dafür und möchte diese Momente noch mehr aufsaugen und geniessen.